Workshop mit Albrecht Schmierer

Die Ursachen der craniomandibulären Dysfunktion (CMD) liegen oft nicht im Mundraum selbst. In den meisten Fällen handelt es sich vielmehr um ein psychosomatisches Geschehen. In diesem Beitrag stellt Dr. Albrecht Schmierer ein mehrstufiges Konzept zur hypnotherapeutischen Behandlung des Bruxismus vor.

Der Bruxismus ist eine Funktionsstörung im craniomandibulären System. Besteht eine Okklusionsstörung, wird diese zahnärztlich behandelt. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich jedoch um ein psychosomatisches Geschehen. Die Hypnose beeinflusst nicht nur das somatische Geschehen von Verkrampfung, Druck und Schmerz, sondern auch die innere Haltung der Betroffenen. Im Gegensatz zu einer medikamentösen Behandlung fördert sie die Resilienz und strebt nachhaltige Verhaltensänderungen an. Sie reduziert Anspannung, fördert Entspannung und positives Denken, das Schmerzempfinden wird verändert. Wichtig ist ein vom telefonischen Erstkontakt an zielgerichtetes, strukturiertes Vorgehen.

Der telefonische Erstkontakt

Das Gespräch mit dem Patienten bei der Terminvereinbarung bereitet eine effektive Therapie vor und klärt das Einverständnis des Patienten mit den Praxismodalitäten vor dem ersten Behandlungstermin ab. Ist der aufgeklärte Patient mit den Konditionen einverstanden, kann unter bestimmten Bedingungen bereits in der 1. Sitzung eine Hypnosehandlung stattfinden.

Die erste Sitzung

Vorgespräch

Im Vorgespräch nutzen wir Techniken der suggestiven Kommunikation. Beiläufig eingestreute Vorschläge, sogenannte indirekte Suggestionen, erleichtern es dem Patienten aus seiner Schmerzangst und Verkrampfung heraus zu kommen. Er lernt, seine Erkrankung als eine nicht lebensbedrohliche Funktionsstörung zu betrachten, an deren Entstehung er beteiligt ist und die er daher beeinflussen kann.

Anamnese und klinische Untersuchung

Bei der CMD ist eine gründliche Anamnese genauso wichtig wie die klinische Funktionsanalyse. Sie gibt dem Patienten Zeit, seine Beschwerden zu formulieren, und sie hilft dem Behandler, Ressourcen zu finden und den zeitlichen Ablauf, die Schwankung der Intensität, die bisherige Medikation und Hinweise auf den sekundären Krankheitsgewinn zu erfragen.

Einfühlsames Zuhören gibt dem Patienten Zuwendung, mit der Seeding-Technik werden Ideen ins Unbewusste eingepflanzt und Veränderungen vorbereitet. Besonders wichtig ist auch die Anamnese der Erwartungen, Ziele und Ressourcen des Patienten. Im Anschluss erfolgt die klinische Untersuchung.

Therapeutische Intervention

Nach der detaillierten Anamnese- und Befunderhebung kann bei gutem Rapport, also einer guten Beziehung zwischen Zahnarzt und Patient, bereits eine Intervention mit Hypnose erfolgen. Ist dies noch nicht möglich, geben wir dem Patienten die CD „Locker lassen lernen“ als Motivation zur Selbsthilfe sowie eine Anleitung zur Selbstbeobachtung nach Schulte mit. Die Unterlagen für eine therapeutische Schiene werden erstellt. Oft wird zur Soforthilfe eine Aqualizer Schiene eingesetzt.

Auch halten wir den Patienten an, ein Gesundheitstagebuch zur Dokumentation seiner Forschritte in Schmerz- und Bruxismuskontrolle zu führen. Kontraindiziert sind Schmerztagebücher, die die Fokussierung auf Schmerz verankern. Flankierend leiten wir physiotherapeutische Maßnahmen ein.

Die zweite Sitzung

Die zweite Sitzung findet möglichst eine Woche nach der ersten statt. Zahnmedizinisch wird die Schiene eingesetzt und das anfängliche Tragen über möglichst 24 Stunden („immer, außer zum Essen, Putzen und Küssen tragen“) erklärt. Spätestens jetzt erfolgt die erste Hypnosesitzung, die etwa 45 Minuten dauert. Von dieser Hypnose wird ein Tonprotokoll als individuelle Anleitung zur Selbsthypnose aufgezeichnet. Der Patient bekommt den Auftrag, sich täglich mit Hilfe der Tonaufzeichnung zu entspannen und begleitend die Selbstbeobachtung durchzuführen. Die Fortschritte werden von ihm mit Hilfe der Gesundheitsskala und dem Gesundheitstagebuch dokumentiert.

Die dritte Sitzung

In der dritten Sitzung wird die Schiene kontrolliert. Wir erkundigen uns, was der Patient selbst beobachtet hat und welche Fortschritte er gemacht hat. Was ist der momentane Wert auf der Gesundheitsskala? Wie oft hat er Selbsthypnose durchgeführt? Wenn er angibt, er habe „keine Zeit“ gehabt, die Schiene zu tragen oder die Selbsthypnose durchzuführen, ist über eine weitere Behandlung zu diskutieren. Entweder liegt ein hoher sekundärer Krankheitsgewinn vor und der Patient hält unbewusst an seinen Beschwerden fest, oder er hat seine Selbstverantwortlichkeit noch nicht begriffen. „Wenn Ihnen ihr Körper so schlimme Schmerzen schickt, möchte er sie zu Veränderungen ihres Verhaltens zwingen“.

Weitere Sitzungen

Weitere Hypnosesitzungen erfordern eine nochmalige Anamnese. Der Patient wird über die Kindheit, seine Familie, seine Partnerbeziehung und seinen Beruf befragt, um Informationen über einen möglichen sekundären Schmerzgewinn zu bekommen und herauszufinden, welche Aufgabe seine Erkrankung innerhalb seines Systems hat.

Dann wird eine Tiefenhypnose induziert. In der Trance erhält der Patient den posthypnotischen, also auch nach der Hypnose wirksamen Auftrag, jedes Mal, wenn er Parafunktionen durchführt, kurz aus dem Schlaf aufzuwachen bzw. aus Alltagshandlungen herauszugehen und kräftig die Faust zu ballen, um dem Bedürfnis nach muskulärer Abreaktion Rechnung zu tragen.

Als Hausaufgabe soll der Patient seine Gesundheitsskala bildlich darstellen und eine Zeichnung oder ein Gemälde seiner „früheren“ Problematik X sowie ein Bild von seinem Zielzustand anfertigen.Das Umprogrammieren des Verhaltens gelingt umso besser, je aktiver er sich daran beteiligt.

Referent

Dr. Albrecht Schmierer, Zahnarzt

Studium der Zahnheilkunde und Assistentenzeit an der Universität Tübingen, Psychologische Ausbildung (Gestalttherapie, Psychosomatik, Hypnose)

Arbeitsschwerpunkte: Gnathologie, Paradontologie, Rehabilitation von schwierigen Fällen, Fortbildungstätigkeit und Veröffentlichungen (Gnathologie, Aufwachstechnik, Hypnose)

Kombination von psychologischen und zahnärztlichen Behandlungsmethoden. Vorlesungstätigkeit an Universitäten und Ausbildungsinstituten international